Beitragsseiten

1945 - Ein neuer Anfang

Der Krieg war endlich zu Ende. Einige Einheimische hatten sich nach Hause durchgeschlagen, andere in Fleestedt eine neue Heimat gefunden oder auch nur ein Notquartier. Nach den Entbehrungen der letzten Jahre war der Hunger groß, Hunger in jeder Beziehung, Lebenshunger. Noch galt das von den Besatzungstruppen verhängte Ausgehverbot für die Nächte. Trotzdem, in Fleestedt war der Bär los. Essen war knapp, Alkohol Mangelware - nur Musik war zu beschaffen. Und so wurde auf dem Saal von Bostelmann getanzt - nach alten Schlagern, aber auch nach Rhythmen, die von den Engländern mitgebracht worden waren.
Doch mit der Zeit und auch, weil man ja nicht jeden Tag tanzen konnte und wollte, kam der Gedanke auf: "Wir sollten doch mal Fußball spielen!" Voraussetzungen waren gegeben. Der Platz des Fleestedter Turnvereins, der 1936 als Mitglied der Deutschen Turnerschaft von den Nazis verboten worden war, stand am Höpen zur Verfügung. Männer mit gesunden Beinen gab es noch, aber auch eine ganze Anzahl von Jünglingen war begeistert, als es darum ging, dem runden Leder nachzujagen. Ja, einen Ball konnten sich die ersten Aktiven beschaffen, mit den Fußballstiefeln sah es schlechter aus. Und so konnte es passieren, daß bei einem der ersten Spiele Willi Schoof mit langen Stiefeln ins Tor gestellt wurde. Kein Wunder, daß er dann mindestens einmal am Ball vorbei trat...
Doch das ist vorweggenommen. Vorher gab es jedoch zwei Spiele - von denen die Ur-Alten berichteten. Gegen den SV Roland, den Männern von der berüchtigten Rönneburger Steinschlucht, gab es eine 0:17-Niederlage. Und kurze Zeit später wurde gegen Reichsbahn Viktoria Harburg, an der Winsener Straße zu Hause, 0:15 vergeigt.
Das aber waren Spiele die vor der Vereinsgründung, besser gesagt, vor der Wiedergründung ausgetragen wurden.
Doch irgendwann im Oktober 1945, das genaue Datum konnte bis heute nicht festgestellt werden, schritten 32 Mann zur Tat. Sie trafen sich in der Gastwirtschaft von Willi Bostelmann und beschlossen, den Fleestedter Sportverein wieder zum Leben zu erwecken. Als Fußball-Verein zunächst. Mit Friedel Sahling aber war ein alter Turner dabei - und so erzählten mir Gründungsmitglieder - war er zusammen mit Willi Bostelmann einer der Wortführer. Eine Frau war bei der Gründungsversammlung nicht dabei. Hans Delissen meldete seinen Sohn Arnold als Mitglied mit an. Er war noch nicht aus dem Krieg zurück. Der Vater wusste nicht, daß er seinen Sohn nie wieder sehen würde. Willi Bostelmann meldete seinen Sohn ebenfalls an. So stehen auf der Gründungsurkunde (sie ist bis heute nicht gefunden worden) 34 Namen. Als Gründungsmitglieder konnten ermittelt werden (neben den schon Erwähnten) Peter Aldag, Karl Behm, Hermann "Manne" Dreyer, Willi und Walter Färber, Erwin und Helmut Flügge, Günther Frontzek, Kuno und Willi Hammerschmidt, Heinz Heitmann, Teddy Giesicke, Erich und Ernst Rudoff, Karl Sauthof, Ludwig Scheunemann, Walter Treder (er der Älteste, war schon über 40!), Willi Wichmann.
Willi Wichmann wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt. "Er hatte Zeit, er war bei den Besatzungstruppen in der Küche beschäftigt, im Hotel Europäischer Hof am Hamburger Hauptbahnhof," erinnern sich einige Alte. "Er war einer der größten Schwarzhändler, konnte uns ewig Hungrige immer mit Essbarem versorgen. Später ging er zur Polizei." Am Sonntag wurde vormittags Handball, am Nachmittag Fußball gespielt. Es gab eine ganze Reihe von Aktiven (Helmut und Karl Schröder, Erich und Ernst Heitmann u.a.) die in beiden Disziplinen antraten.
Über den Platz wurde nicht geredet. Er gehörte Willi Bostelmann und der stellte ihn selbstverständlich dem Verein zur Verfügung. Kostenlos natürlich. Schließlich war Bostelmann immer einer der Männer, die für den Turn- und Sportverein (TuS Fleestedt) da waren. Daß Bostelmann das Vereinslokal des TuS war versteht sich von selbst. Und blieb es über Jahrzehnte.