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Ille und Seppl - zwei mit Herz

"Wann hast Du denn mal Zeit, ich möchte mich mit Dir über alte Zeiten unterhalten, für die TuS-Chronik? Ich stell' auch ein paar Flaschen Bier kalt"
"Ich meld' mich. Aber wenn ich anfange zu erzählen, dann reichen ein paar Buddeln nicht. Dann stell lieber gleich einen ganzen Kasten Bier kalt." Und dabei grinste Seppl Nowek. Er war voller Optimismus - wie meistens. Und die Zeit konnte uns ja nicht davonlaufen... Vier Tage später kam der Anruf: "Weißt Du schon, Seppl ist tot!"

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Zwei Männer, die für Erfolge beim TuS Fleestedt sorgten: Seppl Novek und Trainer Jürgen Marquardt

Das Haus am Rüstweg trägt die Handschrift des Handwerkers. Alles durchdacht, solide, mit Ausbauten, die immer dann gemacht wurden, wenn es Zeit und Geld erlaubten. Es ist das Elternhaus von Seppl (laut Geburtsurkunde Günter) Nowek. Dorthin zog er (geboren am 28. Januar 1925) schon im Jahre 1932, lernte Klempner, mußte Soldat werden und hatte Glück, daß er gleich nach Kriegsende gesund wieder nach Hause kam.
Der Rüstweg liegt auf Hamburger Gebiet, hart an der Grenze zum Landkreis Harburg. Und darum zog es den Seppl und einige Jungs zum Fußball nach Sinstorf. "Doch da haben wir uns nicht so richtig wohl gefühlt," erzählte Seppl einmal. Oder lag es vielleicht an Willi Bostelmann, den Förderer des Fußballs, der in den harten Jahren der Nachkriegszeit mit kräftiger Suppe und gut belegten Broten den jungen Kerls unter die Arme griff? Seppl war nicht der einzige, den es nach Fleestedt zog. Es kamen gleich mehrere mit. Doch er blieb, weil es ihm Spaß machte und weil er Ille kennen lernte.
Ilse Wenzel - ihre mit Bleistift geschriebene Eintrittserklärung zum TuS fand sich noch in alten Unterlagen, datiert vom 4. Januar 1946 - war 1943 in Hamburg ausgebomt worden. In einem Behelfsheim am Hittfelder Bahnhof haben wir gewohnt und in Hamburg hatte ich Handball gespielt. Mit Sport hatte es allerdings nichts zu tun, als ich Seppl kennenlernte. Ich traf ihn beim Tanzen in Hittfeld, mußte ihn aber erst einer Freundin ausspannen," erinnert sich Ille schmunzelnd noch Jahrzehnte später.
Ille spielte Handball beim TuS, war auch nicht zu überreden wieder zum HLT (Hamburger Lehrer-Turnverein) zurückzukehren. Und Seppl spielte Fußball, natürlich in der l. Mannschaft - von 1946 bis 1966. Dann wurde ihm eine kleine Statue überreicht. Das Ende der Laufbahn? Keineswegs, sie war für rund 600 Spiele, die Seppl für den TuS bestritten hatte. Was ihn aber nicht hinderte bei den Alten Herren hin und wieder als Torwart auszuhelfen. Sogar noch einmal Ende der 70er Jahre bei einem Spiel in Scharmbek gegen Pattensen. Aber die Kraft reichte doch nicht mehr so recht, und als eine der letzten Taten von Seppl wurde vermeldet, daß er einen Elfmeter verschuldet hatte... Denn zu diesem Zeitpunkt war aus dem Spieler Seppl schon der Trainer und Betreuer geworden. 1948 hatte er seine Ille geheiratet, 1951 kam Bernd zur Welt. Zehn Jahre später. Seppl hatte inzwischen bei der Firma Wille und bei Klempnermeister Alfred Carstens gearbeitet, wurde Sohn Heiko geboren und Seppl machte sich als Meister selbständig. Bernd war seit 1959 Mitglied im TuS. Die Zeit wurde knapp für den Klempnermeister, der selbst noch spielte, auch mal das Training leitete und sich natürlich auch um die Familie kümmern wollte. Aber er hatte ja seine Ille.
Und die entwickelte sich mehr und mehr zur "Mutter der Clique". Frühstück mußte ich sonntags oft für mehrere machen, denn Bernd hat nachts oft noch Freunde mit nach Hause. Volker Knuth, der ja in Hamburg wohnte, war manchmal wie ein dritter Sohn bei uns." erinnert sich Ille. Sieht man von seiner aktiven Zeit als Fußballer ab, dann kommen die schönsten Stunden für Seppl eigentlich erst, als sein zweiter Sohn, Heiko, geboren am 12.12.1961, eingetreten in den TuS am 1.1.1969, schon als blutjunger Fußballer auf sich aufmerksam machte. Die D-Jugend des TuS wurde Meister ihrer Klasse - mit Heiko als Spieler und Seppl als Trainer. Beim Turnier in Lüneburg wurde ein zweiter Platz geschafft bei Teilnehmern wie FISV, Victoria Hamburg, Werder Bremen. Für alle Jungs gab es Erbsensuppe, nur die HSV-Truppe mit Peer, dem Sohn des Weltmeisters Jupp Posipal, ging in ein Lokal zum Speisen. "Seppl, das brauchen wir nicht," so die Jungs zu ihrem Betreuer. Zehn Jahre lang, bis Heiko in die Herrenmannschaft kam, war Seppl Trainer und Betreuer der Jungs. Erlebte, daß Hansi Kremer nie aus dem Bett und Brettl Brettschneider nie richtig in die Puschen kam, überlebte Trainer wie Slottke und Frank, Römer und Urbath, Fluder, Gesehke und Marquardt.
Ilse Nowek, wie schon in ihrer Handball-Zeit, jetzt als Fußball-Zuschauerin lautstark am Spielfeldrand ("Paß auf, ich komm da gleich runter!"), war nebenbei noch Kassiererin. "Mit dem Fahrrad war ich unterwegs, um die Beiträge einzutreiben. Bei einigen, die nie Geld hatten, mußte ich dreimal kommen."

Als die Jungs zu groß, die Anforderungen an den Trainer immer grüßer wurden, zog sich Seppl zurück, wurde Betreuer. Und Ille Teeköchin. Berühmt war das Rezept und es mußte immer zwei Kassen geben. Für einige - wie Nibbel, Sohn Bernd, Uwe Rust, Muckel Schink, Werner Appel und Wolfgang Gebke - mußte es Tee mit Rum sein. Die, die aus der A-Jugend kamen wie Heiko und Ralf Schwarzat - bekamen Tee ohne.

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Das Haus am Rüstweg war auch der Treffpunkt der Fußballer. Bis zu 80 Personen waren auf dem Grundstück, nicht immer zur Freude der Nachbarn. Denn die Musik dröhnte, daß die Scheiben bebten, und wenn dann die Sänger in Aktion traten, wurde es oft schon hell, wenn man sich trennte.
"Und dann waren es immer die selben Jungs, die zum Aufräumen kamen." erinnert sich Ilse Novvek. Im Garten der Noweks gab es dann auch den Schwur der Mannschaft. Nach dem verschossenen Elfmeter im letzten Spiel der Serie 1979/80 mußte der TuS absteigen. Heiko war der Sündenbock. Bei Seppl trafen sich die Jungs und beschlossen in feuchtfröhlicher Runde: "Wir machen weiter, die Mannschaft fällt nicht auseinander."
Es war ein kleiner Kreis, als Ille das erzählte, was Seppl uns sagen wollte und wollte. Kuddl Schwarzat war dabei, ein guter Sekundant, der viele Jahre gemeinsam mit Seppl den Fußballern des TuS zur Seite stand. Es war ein fröhliches Gespräch, es wurde geschmunzelt und gelacht. So wie unser Seppl, der nie ein Kind von Traurigkeit war, es sicher gern gehabt hätte. - Wo. -